27/04/2022

Müssen erwachsene Kinder ihre Eltern pflegen?

Wenn alltägliche Aufgaben zunehmend schwerfallen, ist oft pflegerische Unterstützung notwendig. Die demografische Entwicklung des Landes führt dazu, dass immer mehr erwachsene Kinder ihre Eltern im hohen Alter pflegen oder für die Kosten der Pflegeeinrichtungen aufkommen. Schwarze, Hanefeld, Dr. Dabag Rechtsanwälte erklärt in folgendem Beitrag die familienrechtlichen Grundlagen der Pflegeverantwortung.

Inhalt

  1. Das Wichtigste in Kürze
  2. Müssen Kinder ihre Eltern pflegen?
  3. Wann liegt ein Pflegefall vor?
  4. Wer kommt für den Pflegefall auf?
  5. Was passiert mit dem Eigenheim?
  6. Familienrecht: Wenn die Eltern klagen
  7. Besonderheiten im Familienrecht und Pflegeunterhalt

Das Wichtigste in Kürze

  • Kinder sind nicht zur Pflegetätigkeit für Ihre Eltern verpflichtet und auch Eltern können die Pflege durch die Kinder verweigern.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen besteht für die Kinder jedoch eine Unterhaltspflicht, um die Pflege der Eltern zu finanzieren.
  • Das Familienrecht ist ein komplexes Gebiet mit vielen individuellen Fallstricken, auf dem sich eine fachkundige Rechtsberatung lohnt

 

Müssen Kinder ihre Eltern pflegen?

Das Grundgesetz schützt alle in Deutschland befindlichen Personen davor, eine Arbeit zwangsweise durchführen zu müssen. Entsprechend können Kinder die Pflege ihrer Eltern ablehnen. Ebenso darf auch die pflegebedürftige Person ablehnen, von einer bestimmten Person gepflegt zu werden. Eine Pflege entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der pflegebedürftigen Person kann sogar strafrechtliche Folgen nach sich ziehen und den Tatbestand der Nötigung erfüllen.

 

Wann liegt ein Pflegefall vor?

Ob eine Pflegebedürftigkeit vorliegt, ist in § 14 Sozialgesetzbuch XI definiert. Ausschlaggebend ist hier, dass eine Person aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Erkrankung bzw. Behinderung grundlegende Alltagsaufgaben nicht ohne Hilfe oder Unterstützung bewerkstelligen kann. Das Alter spielt für die Definition der Pflegebedürftigkeit grundsätzlich keine Rolle. Für die Bestimmung eines Pflegegrades ist die Pflegekasse der betroffenen Person zuständig.

 

Wer kommt für den Pflegefall auf?

Wenngleich Kinder nicht dazu verpflichtet werden können, ihre Eltern zu pflegen, besteht nach § 1601 BGB dennoch eine Unterhaltspflicht den Eltern gegenüber. Das bedeutet, dass Kinder dazu verpflichtet werden können, finanziell für die Pflege ihre Eltern aufzukommen. Hierfür gelten folgende Voraussetzungen:

  • Die bestehenden Leistungen aus der Pflegeversicherung decken den Bedarf nicht.
  • Die pflegebedürftige Person hat kein eigenes ausreichendes Einkommen oder Vermögen.
  • Das erwachsene Kind verfügt über ein Jahresbruttoeinkommen von über 100.000 Euro.

Unterschreitet das Jahresbruttoeinkommen die Grenze von 100.000 Euro, übernimmt der Sozialhilfeträger die Pflegekosten.

 

Was passiert mit dem Eigenheim?

Immobilien und Vermögen erwachsener Kinder können ebenfalls zur Unterhaltspflicht den Eltern gegenüber herangezogen werden. Allerdings gelten auch hier Schonbeträge und Angemessenheitsregelungen. Ein selbst genutztes Eigenheim beispielsweise fällt unter die Schonregelung, sofern es in Größe und Ausstattung den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Betroffenen angemessen und ein Verkauf nicht zumutbar ist. Wenn Eltern ihren Kindern eine Immobilie oder sonstige beträchtliche Investitionsanlagen geschenkt haben, kann der Sozialträger den Wert der Schenkung zurückverlangen, falls die Schenkung noch keine zehn Jahre zurückliegt.

 

Familienrecht: Wenn die Eltern klagen

Eltern haben keinen Pflegeanspruch ihren Kindern gegenüber. Auch eine Enterbung aufgrund verweigerter Pflege ist nicht möglich. Erfüllt allerdings das erwachsene Kind die notwendigen Einkommensvoraussetzungen und weigert sich, finanziell zur Pflege der Eltern beizutragen, handelt es sich um eine Straftat nach § 170 StGB, auf die bis zu drei Jahre Haftstrafe oder eine Geldstrafe drohen. 

 

Besonderheiten im Familienrecht und Pflegeunterhalt

Das Familienrecht berücksichtigt zahlreiche verschiedene soziale Besonderheiten und familiäre Konstellationen. Frühere schwere Verfehlungen der Eltern gegenüber den Kindern können daher einen Ausschluss der Unterhaltspflicht zur Folge haben. Ob eine Verfehlung des Elternteils tatsächlich schwer genug wiegt, wird meist im Rahmen einer Gerichtsverhandlung geklärt. Hervorzuheben ist hier, dass ein Kontaktabbruch durch die Eltern nicht unbedingt ausreicht, um die Unterhaltspflicht aufzuheben. Um die individuellen Gegebenheiten fachkundig zu prüfen, lohnt sich eine professionelle Rechtsberatung.

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